Zu später Stunde hat das Parlament in der Nacht auf den vergangenen Freitag das von mir mitverhandelte Gesetz zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts, insbesondere im Bereich der Betriebsprüfungen, verabschiedet.
Das Gesetz mit dem etwas sperrigen Titel „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts“ verknüpft zwei – inhaltlich nicht zusammen hängende – Themen: die Umsetzung der sogenannten DAC 7-Richtlinie, für die meine Kollegin Deborah Düring zuständig war, und steuerverfahrensrechtliche Änderungen im Bereich der Betriebsprüfungen. Diesen Teil habe ich mitverhandelt.
Ziel ist es Betriebsprüfungen früher zu beginnen und zu beschleunigen
Betriebsprüfungen sind von herausragender Bedeutung für die Steuergerechtigkeit und im Kampf gegen Finanzkriminalität. Durch sie wird sichergestellt, dass Steuerpflichtige ihre Steuern korrekt abführen. Sie sind sozusagen ein Grundpfeiler für faire Wettbewerbsbedingungen und einen funktionierenden Staat.
Das Problem: Deutschland hinkt, was die Aktualität der Prüfungszeiträume anbelangt, hinterher – auch im internationalen Vergleich. Die Sachverhaltsaufklärung für lang zurückliegende Zeiträume ist dann auch bei kooperativen Steuerpflichtigen schwierig. Bei grenzüberschreitenden Betriebsprüfungen ist es außerdem wichtig, dass sich Prüfzeiträume im In- und Ausland zumindest teilweise überlappen. Steuerpflichtige wünschen sich zudem frühere Rechtssicherheit.
Ziel des Gesetzes war, den Zeitraum zwischen Steuerbescheid und Ende der Betriebsprüfung verkürzen. Dazu gibt es zwei Hebel. Erstens, Betriebsprüfungen früher beginnen. Zweitens, die Dauer einer Betriebsprüfung verkürzen. Das Gesetz setzt an beiden Hebeln an.
Die wichtigsten Gesetzesänderungen im Überblick
Vorziehen der Prüfungsanordnung
Die Anordnung markiert den Beginn der Betriebsprüfung. Künftig sollen Betriebsprüfungen in beratenden Fällen (also solche nach § 149 Abs. 3 AO) spätestens im Kalenderjahr nach Erlass des Steuerbescheids angeordnet werden. Momentan beginnen Betriebsprüfungen oft erst einige Jahre nach Erlass des Steuerbescheids. Die Regelung bringt also eine große Beschleunigung – auch wenn das Vorziehen der Prüfungsanordnung natürlich eine große Belastung für die Finanzbehörden bedeutet.
Begrenzung der Ablaufhemmung auf fünf Jahre
Die steuerliche Festsetzungsfrist beträgt bei den meisten Steuern vier Jahre. Nach Ablauf dieser Frist kann die Steuerfestsetzung nicht mehr geändert werden. Die sogenannte Ablaufhemmung beschreibt das Aufschieben dieser Frist seitens einer Finanzbehörde, z. B. durch den Beginn einer Betriebsprüfung. Das Gesetz sieht nun eine Begrenzung der Ablaufhemmung auf fünf Jahre vor. Dies begrenzt die Dauer einer Betriebsprüfung de facto auf fünf Jahre, denn die Betriebsprüfung muss abgeschlossen sein, bevor die Festsetzungsfrist abläuft.
Mir ist es ein wichtiges Anliegen, dass Betriebsprüfer*innen ausreichend Zeit bleibt, um auch bei komplexen Fällen sachgerecht zu prüfen. In vielen komplexen Fälle werden sogenannte zwischenstaatliche Amtshilfen ersucht. Während ein solches Amtshilfeverfahren läuft, kommen die Betriebsprüfer*innen in ihrer Aufklärungsarbeit aber kaum voran. Die Ampelfraktionen haben sich deshalb darauf geeinigt, dass sich die 5-Jahres-Frist der Ablaufhemmung bei Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amtshilfe um die Dauer der Amtshilfe, mindestens aber ein Jahr verlängert.
Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen
Das qualifizierte Mitwirkungsverlangen ist ein neues Instrument, mit dem die Steuerpflichtigen zu Mitwirkung aufgefordert werden können. Es ist innerhalb eines Monats zu erfüllen. Bei Nichterfüllung wird eine Strafe verhängt – das Mitwirkungsverzögerungsgeld. Es beträgt 75 Euro pro Tag, für maximal 150 Tage. Bei wirtschaftlich leistungsfähigen Unternehmen kann ein Zuschlag von bis zu 25.000 Euro erhoben werden. Außerdem verlängert sich die 5-Jahres-Frist der Ablaufhemmung (siehe oben) um die Dauer der Mitwirkungsverzögerung, mindestens aber um ein Jahr.
Das qualifizierte Mitwirkungsverlangen kann frühestens sechs Monate nach Beginn der Betriebsprüfung (also der Prüfungsanordnung) erlassen werden. Davon profitieren insbesondere kleine Unternehmen, deren Betriebsprüfungen meist nur einige Monate dauern. Den Ampelfraktionen war diese Änderung wichtig, da kleine Unternehmen von den meisten anderen Änderungen nicht profitieren (z.B. der Begrenzung der Ablaufhemmung).
Teilabschlussbescheid
Der Teilabschlussbescheid ist eine neu geschaffene Möglichkeit, mittels derer abschließend geprüfte abgrenzbare Sachverhalte bereits vor Abschluss der Betriebsprüfung gesondert festgestellt werden können. Damit kann für diese Sachverhalte schon früher Rechtssicherheit eintreten.
Fazit: ein sinnvoller Kompromiss zwischen Steuerpflichtigen und Finanzbehörden
Insgesamt sorgt das Gesetz für effizientere, schnellere und vor allem frühere Betriebsprüfungen. Den Ampelfraktionen war es wichtig, dass Steuerpflichtige und Finanzbehörden gleichermaßen dazu beitragen. Dies ist gelungen. Während die Finanzbehörden z. B. bei der Begrenzung der Ablaufhemmung oder dem Vorziehen der Prüfungsanordnung in die Pflicht genommen werden, profitieren sie z. B. vom qualifizierten Mitwirkungsverlangen. Auf der anderen Seite müssen Steuerpflichtige zukünftig bei fehlender Kooperation durch das Mitwirkungsverzögerungsgeld mit einer empfindlichen Strafe rechnen. Sie profitieren aber von früherer Rechtssicherheit, z. B. durch den Teilabschlussbescheid oder die Begrenzung der Ablaufhemmung.