Seit des völkerrechtswidrigen Einmarsches von Russland in die Ukraine am 24. Februar 2022 hat die westliche Gemeinschaft insgesamt vier – in ihrer Härte beispiellose – Sanktionspakete gegen Russland beschlossen. Eine notwendige und angemessene Antwort auf Putins Angriffskrieg, der seitdem die Welt in Atem hält. Gerade beraten die NATO, EU und G7 in Brüssel weitere Sanktionen, die wohl auf Russlands Goldreserven abzielen.
In meiner Rolle als Obmann der Grünen im Finanzausschuss habe ich mit Vertreter*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zu den Finanzsanktionen gesprochen. Ich werde an dieser Stelle die Wichtigsten beleuchten: der SWIFT-Ausschluss, die Sanktionen gegen die russische Zentralbank und die Sanktionen gegen russische Oligarchen. Was genau steckt dahinter?
SWIFT-Ausschluss
Bei SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) handelt es sich, wie der Name schon vermuten lässt, um ein privatwirtschaftliches Kommunikationsnetzwerk mit Sitz in Belgien. SWIFT übermittelt Finanzdaten im inländischen und grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr zwischen den beteiligten Banken – es hilft folglich dabei, dass das Geld auf dem richtigen Konto landet. Insgesamt wurden bislang sieben große russische Banken der Zugang zum SWIFT-System verwehrt (Stand 24.3.2022). Zudem werden die SWIFT-Codes (auch bekannt als BIC-Codes) dieser Banken aus dem System entfernt.
Vereinfacht kann man sagen: SWIFT ist das WhatsApp der Banken. Aber wie bei der Kommunikation mit WhatsApp gilt auch bei SWIFT: Es gibt a) andere Anbieter und b) alternative Kommunikations-Möglichkeiten.
- Russische Banken könnten zum Beispiel auf das eigene Kommunikationsnetzwerk SPSF oder das chinesische CIPS zurückgreifen. Aber SWIFT ist genauso wie WhatsApp deshalb nützlich, weil es von fast allen potenziellen Kontakten verwendet wird. Das ist bei den alternativen Systemen bislang nicht der Fall. Selbst eine chinesisch-russische Zusammenarbeit über SPSF oder CIPS würde nur den Zahlungsverkehr beider Länder untereinander abwickeln. Da westliche Banken in der momentanen Situation kaum SPSF und CIPS beitreten werden, erachten Expert*innen diese als keinerlei Alternative zu SWIFT.
- Russische Banken könnten über alternative Wege, wie z.B. Fax oder Telefon, kommunizieren. Der Aufwand – im Vergleich zum digitalisierten und automatisierten SWIFT-System – steigt aber gewaltig.
- Die SWIFT-Sanktionen treffen die russische Volkswirtschaft insgesamt stark, sie machen Transaktionen aber nicht unmöglich. Als 2014 im Zuge der Krim-Annexion ebenfalls ein SWIFT-Ausschluss im Raum stand, rechnete die russische Regierung mit einem 5%-Rückgang der Wirtschaftsleistung.
Sanktionen gegen die russische Zentralbank
Die Sanktionen gegen die russische Zentralbank sind etwas unter dem Radar der öffentlichen Diskussion geblieben, insbesondere im Vergleich zur hitzigen Debatte um die SWIFT-Sanktionen. Aber das trügt.
„Bei den Zentralbank-Sanktionen handelt es sich um das schärfste Schwert – und vor allem um eine Sanktion, mit der Putin nicht gerechnet hat.“
Die EU und ihre westlichen Verbündeten haben die auf ihren Territorien verwahrten Währungsreserven der russischen Zentralbank in Höhe von rund 300 Mrd. Euro eingefroren. Auf ca. die Hälfte seiner Reserven kann Russland damit nicht mehr zugreifen, z.B. zur Finanzierung von Importen oder – über die Intervention am Devisenmarkt – zur Stützung des Rubels. Die oft als „Putins Kriegskasse“ bezeichneten Reserven hat das Land über die vergangenen 20 Jahre mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen aufgebaut. Zuletzt betrugen sie ca. 600 Mrd. Euro, das sind 40 % der russischen Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: die Euro-Zentralbanken halten Reserven von ca. 9 % ihres BIPs.
Der Präsident der Deutschen Bundesbank Joachim Nagel nennt in der ARD die Sanktionen gegen die russische Zentralbank daher „die stärksten Maßnahmen, die ich so kenne, die jemals international ergriffen wurden, und die werden ihre Wirkung nicht verfehlen“.
Ein Großteil seiner verbliebenen Reserven hält die Zentralbank in Gold, Schätzungen zufolge zwischen 90 und 220 Milliarden Euro. Dieses Gold kann die Zentralbank nach wie vor verkaufen, um den Rubel-Kurs zu stützen. Neue Sanktionen sollen nach US-Angaben daher den Handel der russischen Zentralbank mit Gold in den Fokus nehmen.
Sanktionen gegen Oligarchen
Spätestens seit der englische Fußballclub FC Chelsea keine Tickets mehr verkaufen darf und die italienische Guardia die Finanza reihenweise Luxusjachten festsetzt, sind auch sie in aller Munde: Die Sanktionen gegen russische Oligarchen.
Russische Oligarchen trugen jahrelang in einem schmutzigen Deal zum Machterhalt Putins bei. „Die Oligarchen unterwarfen sich dem Primat der Politik. Dafür durften sie die Monopolgewinne aus ihrem Öl-, Rohstoff- oder Industriebesitz, den sie sich nach dem Ende der Sowjetunion oft unter dubiosen Umständen angeeignet hatten, weitgehend unbeschränkt in den Westen transferieren“, kommentier Michael Sauga im Spiegel. Folgerichtig werden diese nun ins Visier der Finanzsanktionen genommen. Ziel ist es, die Oligarchen so empfindlich zu treffen, dass sie Druck auf Präsident Putin ausüben, um die Invasion zu stoppen.
Wenn im Kontext des Russland-Krieges von Sanktionen gegen Einzelpersonen gesprochen wird, geht es meist um die Sanktionsliste nach EU-Verordnung Nr. 269/2014. Erlassen wurde diese schon im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014. In mehreren Beschlüssen hat die EU diese Liste auf nun 862 Personen und 53 Organisationen erweitert. Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der gelisteten Personen und Unternehmen werden eingefroren, ihnen finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen wird verboten.
Transparenz im Immobilien- und Finanzsystem wichtiger denn je
Doch leider ist das in Deutschland nicht überall so einfach umsetzbar. Oft laufen die Vermögenswerte der Oligarchen nicht unter ihrem Namen. Immobilien gehören z.B. oft Briefkastenfirmen. Schon lange fordern wir Grünen daher die Einführung eines lückenlosen zentralen Immobilienregisters (z.B. im letzten Bundestagswahlprogramm), welches die hinter den Gesellschaften stehenden Personen aufdeckt - und wir so Geldwäsche bekämpfen können. Durch die Versäumnisse der letzten Jahre ist es für die deutschen Behörden jetzt mühsame Arbeit die Vermögenswerte der sanktionierten Oligarchen aufzudecken. Einfacher ist die Durchsetzung der Sanktionsliste für Banken, welche mit privatwirtschaftlichen Anbietern ihre Kundinnen und Kunden mit der Sanktionsliste automatisiert abgleichen können.
„Ja, wir müssen allerdings auch feststellen, dass sich heute offenkundige Probleme bei der Umsetzung von Sanktionen gegen russische Oligarchen hierzulande zeigen. Wir Grüne fordern seit langem die Einführung eines lückenlosen zentralen Immobilienregisters. Das wird jetzt dringlicher denn je.“
Die Wirksamkeit der Sanktionen gegen russische Oligarchen hängt im Wesentlichen davon ab, wie effektiv und entschlossen sie durchgesetzt werden.
Wie es weiter geht
Die beschlossenen Finanzsanktionen treffen das System Putin empfindlich. Es bleibt abzuwarten, ob und wenn ja mit welchen Gegensanktionen Russland antworten wird. Für Deutschland und die EU bedeutet das, jetzt die Sanktionen strikt durchzusetzen und Ausweichmöglichkeiten, z.B. über Kryptowährungen, trockenzulegen.
Und das Energie-Embargo?
Neben den genannten Finanzsanktionen ist es die zentrale Frage, die sich viele von uns stellen und deren Antwort nicht leichtfällt: Für Ökonom*innen nicht, Politiker*innen nicht, wahrscheinlich für jede und jeden Einzelne*n von uns: Ist Putins Angriffskrieg dadurch zu stoppen, ihm durch einen Importstopp für russisches Öl und Gas die finanziellen Mittel für die Fortsetzung dieses Krieges zu entziehen?
Diesen Importstopp prüft das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und es ist richtig, dabei gründlich vorzugehen angesichts der noch nicht in ihrer Gänze vorhersehbaren Auswirkungen auf unser Finanz- und Wirtschaftssystem sowie auf die Bereiche der Agrar- und Nahrungsmittelsysteme. Denn: Die russische Invasion löst enorme Kosten auch für unsere Gesellschaft aus, die wir hierzulande zu spüren bekommen. Es ist jetzt die Aufgabe der Bundesregierung die außerordentlichen volkswirtschaftlichen Folgen eines Embargos für Deutschland und die EU abzuwägen gegen den Nutzen im Vorgehen gegen Russland.
Ja, in diesem existenziellen Kampf um Frieden und Freiheit mitten in Europa ist es ein schweres moralisches und wirtschaftliches Abwägen, ein Dilemma für einen Wirtschaftsminister, vor dem nicht jede*r von uns stehen möchte.
Unabhängig werden und soziale Härten abfedern
Unsere Aufgabe ist jetzt: Werden wir schnellstmöglich unabhängig vom Öl und Gas autoritärer Staaten wie Russland und beschleunigen wir den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Jedes Windrad und jede Photovoltaikanlage mehr helfen im Kampf gegen Putin.
Die Abhängigkeit Russlands hat ihren Preis und um die kurzfristigen wirtschaftlichen und sozialen Härten abzufedern braucht es unbürokratische Hilfen, die bei allen ankommen. Die Bundesregierung hat daher am 24.3. ein umfassendes Entlastungspaket geschnürt. Mit 300 € Energiepreispauschale, 100€-Einmalbonus aufs Kindergeld, 100€ zusätzlich für Grundsicherungsbezieher*innen und 9€ ÖPNV-Monatsticket für 90 Tage entlasten wir Millionen Bürger*innen ganz akut.
Eine gute Übersicht zu den aktuellen Sanktionen gegen Russland bieten die Tracker der Rechercheplattform Correctiv und der internationalen Anwaltskanzlei Ashurst.