144 Milliarden Euro
Der Haushaltsentwurf von Finanzminister Lars Klingbeil sieht über vier Jahre hinweg ein Defizit von fast 150 Milliarden Euro vor. Das Problem verschiebt der Finanzminister auf die kommenden Jahre – das Haushaltsloch soll mit den Haushalten 2027 bis 2029 geschlossen werden. Über den gleichen Zeitraum ist eine Neuverschuldung von 850 Milliarden Euro vorgesehen. Allein dieses Jahr beträgt die geplante Neuverschuldung 143 Milliarden Euro.
An der Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, noch vor einem Jahr erklärt hat, dass wir kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem haben. Zu dieser Zeit haben wir bereits lange eine Reform der Schuldenbremse gefordert, damit Zukunftsinvestitionen wie die Sanierung unserer maroden Infrastruktur endlich möglich werden. Die Einsicht der Union kam erst, als die Regierungsverantwortung unmittelbar bevorstand. Gleichwohl war dem gesamten politischen Berlin schon Monate zuvor bewusst, dass die Union ihre Haltung zur Schuldenbremse nach der Wahl mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit grundlegend ändern wird. Zu Recht wird hier deswegen auch von einer Täuschung der Wähler*innen gesprochen.
Prioritäten einer Regierung ohne Zukunftsplan
Der Entwurf von Finanzminister Lars Klingbeil setzt auf Wortbruch, Rekordschulden und buchhalterische Taschenspielertricks, um vereinbarte Zukunftsinvestitionen zu umgehen. Milliarden aus dem Sondervermögen sollen zweckentfremdet und Geld für Gaskonzerne als klimafreundlich etikettiert werden. Zugleich werden zentrale Wahlversprechen zur Entlastung von Bürger*innen gebrochen. Klimaschutz bleibt größtenteils unerwähnt.
Rekordschulden, aber kaum Investitionen
Für Bund und Länder gilt gleichermaßen: Investitionen werden zugunsten von Wahlversprechen gestrichen. Die Ministerien wurden im Vorfeld angewiesen, möglichst viele Ausgaben in Sondervermögen auszulagern. So wird Geld im Haushalt für Klientelpolitik freigeräumt. Auch das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Länder verpufft durch die fehlgeleitete Steuerpolitik von BlackRot – wie das Beispiel Berlin zeigt: 5 Mrd. Euro des Sondervermögens gehen an das Land Berlin. Zugleich entzieht die Steuerpolitik der Koalition Berlin über 6 Mrd. Euro im gleichen Zeitraum. Damit die Länder diese Steuerpolitik billigen, hat die Koalition mit den Regierungschefs vereinbart, dass das Geld aus dem Sondervermögen komplett zum Stopfen der Löcher der Steuerpolitik eingesetzt werden kann. Die abgemachte sogenannte Zusätzlichkeit des Sondervermögens entfällt. Also kein Geld für neue Investitionen, kein Geld für Kitas, Krankenhäuser und Klimaschutz.
Von Steuergerechtigkeit keine Spur
Das Verschieben von Geldern und das gigantische Haushaltsloch sind nicht von äußeren Umständen bestimmt, sondern aktive Entscheidungen. Natürlich ist die Haushaltssituation keine einfache, das bestreitet niemand. Gleichzeitig ignoriert die Koalition geflissentlich Möglichkeiten, den Haushalt und die Steuerpolitik gerechter und nachhaltiger zu gestalten. Einerseits gibt sie Milliarden für Maßnahmen aus, die unsere Lebensgrundlagen vernichten und andererseits weigert sie sich Steuerschlupflöcher zu schließen. So hat die Koalition gegen das Schließen von Gerechtigkeitslücken im Steuerrecht gestimmt. Immobilienverkäufe sollen nach zehn Jahren weiterhin steuerfrei möglich bleiben. Die Grunderwerbssteuer für große Firmen soll dank sogenannter Share Deals, bei denen Firmenanteile statt Immobilien direkt verkauft werden, weiter vermeidbar bleiben. 300 Wohnungen sollen weiter steuerfrei vererbt werden können – genauso wie riesige Vermögen über 26 Millionen Euro dank Verschonungsbedarfsprüfung. Währenddessen steigt die Zahl der Superreichen mit mehr als 100 Millionen US-Dollar in Deutschland auf 3.900 und unsere Staatsverschuldung um 850 Milliarden exklusive einem Haushaltsloch von fast 150 Milliarden Euro. Die 3.900 Superreichen allein besitzen derweil fast ein Drittel des Finanzvermögens im Land.
Klimafonds zweckentfremdet – für fossile Projekte
Statt mit dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) konsequent in eine nachhaltige Zukunft zu investieren, soll Geld aus dem Fonds sogar für fossile Projekte eingesetzt werden. Geld für Klimaschutz landet also bei fossilen Großkonzernen und damit direkt in klimaschädlicher Technologie. Dabei geht es um mehr als drei Milliarden Euro, die eigentlich in Zukunftstechnologien fließen sollten. Genug Geld, um mehrere Städte mit erneuerbaren Wärmenetzen oder Wärmepumpen auszustatten, wie Till Irmisch vom Umweltinstitut München klargestellt hat. Dass das Geld jetzt in klimaschädliches Gas statt in den Ausbau von Wärmenetzen, der Gebäudesanierung oder dem Ausbau der Erneuerbaren Energien fließen soll, ist absurd und ein klimapolitischer Totalausfall.
Wortbruch bei den Entlastungen
Im Koalitionsvertrag steht wörtlich: „Dafür werden wir als Sofortmaßnahme die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken und Umlagen und Netzentgelte reduzieren.“ Doch jetzt soll davon nicht mehr viel übrigbleiben. Statt einer Entlastung für private Haushalte, Rentner*innen, kleine Betriebe und das nicht-produzierende Gewerbe, wird lediglich eine bereits bestehende Entlastung für Industrie, Land- und Forstwirtschaft verlängert. Die arbeitende Mitte geht leer aus. Das ist nicht nur ein Wortbruch – sondern ein fatales Signal.
Hier erntet die SPD auch aus ihrer eigenen Partei ordentlich Kritik. Der Oberbürgermeister von Fürth, Thomas Jung, hat im BR festgestellt, dass er niemandem vermitteln könne, dass nur die große Industrie profitieren soll. Dabei wäre die Stromsteuersenkung eine Entlastung für viele, die gerade unter hohen Strompreisen leiden, die bürokratiearm und schnell umsetzbar ist. Für eine durchschnittliche vierköpfige Familie würde das rund 87 Euro Entlastung im Jahr bedeuten.
Klimaschutz ist kein Thema
Besonders irritierend: In der Vorstellung des Haushalts durch Lars Klingbeil spielt der Klimaschutz faktisch keine Rolle. Nach dem trockensten Frühling seit Beginn der Wetteraufzeichnung ist das eine katastrophale Prioritätensetzung. Die Bundesregierung ignoriert damit nicht nur wissenschaftliche Warnungen, sondern auch den Wunsch großer Teile der Bevölkerung nach konsequentem Klimaschutz.
Nebelkerzen
Kaum geht es um den Haushalt, schwenkt die Union und allen voran Markus Söder reflexartig auf Sozialkürzungen um – ein durchschaubares Ablenkungsmanöver. Wenn nur beim Bürgergeld gespart werden würde, dann könne man alles finanzieren. Das ist fernab jeglicher Realität. Selbst wenn das Bürgergeld komplett und ersatzlos abgeschafft werden würde, würde das nicht im Ansatz die 850 Mrd. Euro Neuverschuldung ausgleichen – von der Neuverschuldung plus der Haushaltslücke ganz zu schweigen. Hinzu kommt, dass sich die Union fortwährend wehrt, in der Steuerpolitik Schlupflöcher für Superreiche zu schließen, aber durchgehend Gelder für die Ärmsten in der Bevölkerung streichen will. Außerdem zur Erinnerung: Es ist die Union, die sich vehement gegen eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde wehrt. Vielleicht müssten mit einem fairen Mindestlohn nicht mehr über 800.000 Menschen mit dem Bürgergeld ihr Gehalt aufstocken.
Nicht glaubwürdig, nicht vertrauenswürdig
Wieder einmal beweist die Koalition, dass man ihr nicht vertrauen kann. Akteure versprechen Dinge, von denen sie selbst wissen, dass sie sie später nicht einhalten können. Sie behaupten Zukunftsinvestitionen anzuschieben und widmen gleichzeitig Milliarden aus dem Sondervermögen um, damit sie tatsächliche neue Investitionen vermeiden können. Die abgemachte „Zusätzlichkeit“ wird klammheimlich gestrichen – und damit zentrale Zukunftsinvestitionen verhindert. Es ist an der Zeit, dass die Koalition ihre Versprechen einlöst und wieder für eine vertrauenswürdige Politik steht.