Mit dem neuen Wahlrecht schaffen wir es, das weitere Anwachsen des Bundestages zu verhindern. Künftig gilt eine feste Größe von 630 Mitgliedern, gleichzeitig wird die Repräsentanz der Fraktionen gemäß dem Willen der Wähler*innen sichergestellt.
Die vorgesehene Größe des Bundestages von der eigentlichen gesetzlichen Regelgröße von 598 Abgeordneten wird seit Jahrzehnten – zuletzt mit 736 Abgeordneten massiv – wegen der steigenden Zahl von Überhangmandaten und den verbundenen Ausgleichsmandaten überschritten. Schon 2008 hat das Bundesverfassungsgericht das Parlament deswegen aufgefordert, das Wahlrecht zu reformieren.
Das Problem der Überhangmandate
Die Ursache des Anwachsens ist die immer größer werdende Zahl von Überhangmandaten. Diese entstehen, wenn eine Partei mehr Direktkandidat*innen in den Bundestag entsenden kann (also Kandidat*innen, die durch Erststimmen ihren Wahlkreis gewonnen haben), als ihr Sitze gemäß der Anzahl der Zweitstimmen in einem Bundesland zustehen. Seit 2013 werden diese Überhangmandate durch zusätzliche Sitze, sog. Ausgleichsmandate, ausgeglichen, damit die Repräsentanz des Wähler*innenwillens gewährleistet bleibt.
Das neue Wahlrecht der Ampel
Die Sitzverteilung richtet sich künftig ausschließlich – wie es bisher im Gesetz eigentlich auch vorgesehen war – nach dem Zweitstimmenanteil der Parteien.
Nach der Zweitstimme wird die Sitzverteilung im Bundestag mit den künftig 630 Abgeordneten verteilt. Anschließend werden innerhalb der Parteien die Sitze auf die einzelnen Bundesländer verteilt. Auch hier nach dem Verhältnis der Stimmen für die jeweilige Partei in den einzelnen Bundesländern.
Wer erhält diese Sitze für die jeweilige Partei im jeweiligen Bundesland? Hier kommt die entscheidende Änderung: Zuerst wird das Wahlergebnis in den einzelnen Wahlkreisen mit der Erststimme für die Direktkandidat*innen betrachtet.
Die Kandidat*innen, die in den Wahlkreisen eine (relative) Mehrheit errungen haben, erhalten weiterhin bevorzugt Sitze zugeteilt, jedoch nicht mehr garantiert. Mit der Anpassung der Regelgröße auf 630 Abgeordnete verringern wir die Wahrscheinlichkeit, dass Kandidat*innen, die in ihrem Wahlkreis eine (in der Regel nur relative) Mehrheit errungen haben, leer ausgehen. Umgekehrt werden wie bisher die Sitze einer Partei im jeweiligen Bundesland, die nicht durch Direktmandate ausgeschöpft werden können, über die Landesliste aufgefüllt.
So werden Überhangmandate vermieden. Das Verfahren mag für die betreffenden bisherigen Bundestagsabgeordneten bitter sein. Aber der Bundestag kann logischerweise nur verkleinert werden, wenn es weniger Abgeordnete gibt. Und da müssen alle Parteien gleichmäßig Abstriche machen.
Fazit
Der Vorschlag der Ampel für ein neues Wahlrecht garantiert eins zu eins die Abbildung des Wähler*innenwillens und bringt den Bundestag wieder auf eine planbare Größe. Die Ampelkoalition bekommt damit hin, woran die Große Koalition wegen des Widerstandes der CSU noch gescheitert ist.
Fragen und Antworten:
Wird Bayern durch das neue Wahlrecht benachteiligt?
Natürlich nicht. Der Anteil der Abgeordneten aus Bayern bleibt erhalten.
Wird die CSU durch das neue Wahlrecht benachteiligt?
Auch nicht. Der Anteil der CSU-Sitze im Parlament würde sich nur leicht verändern. Der leichte Rückgang liegt allein an der bisherigen Regelung, dass im bisherigen Wahlrecht drei Überhangmandate nicht für die anderen Fraktionen ausgeglichen werden. 2021 gingen diese 3 nicht ausgeglichenen Überhangmandate zufällig an die CSU. Dies ist aber nicht zwangsläufig der Fall, sie hätten auch ganz oder teilweise an SPD und CDU gehen können. Diese Regel entfällt künftig.
Was ist mit der Reduzierung auf 280 Wahlkreise?
Diese Reduzierung war im bisherigen Wahlrecht, das die Große Koalition noch in der vergangenen Wahlperiode verabschiedet hat, vorgesehen. Mit dem neuen Wahlrecht bleibt es nun bei 299 Wahlkreisen. Wir haben aber die Grenzen, ab der die Wahlkreise bei steigender oder sinkender Bevölkerungszahl neu zugeschnitten werden müssen, abgesenkt.
Warum kam kein gemeinsamer Vorschlag mit der Union zustande?
Wir haben in mehreren Runden versucht, zu einem Kompromiss mit der Union zu kommen. Am Ende ist dies nicht gelungen. Die CSU wollte möglichst wenig eigene Mandate abgeben. Sie hat sogar mehrfach ein Grabenwahlrecht als Alternative ins Spiel gebracht, das sie sehr einseitig bevorzugt hätte.
Was ist dieses Grabenwahlrecht?
Bei einem Grabenwahlrecht wird die Hälfte der Sitze nach Mehrheitswahlrecht verteilt, die andere Hälfte nach Parteilisten. Das hätte bei der Bundestagswahl 2021 bedeutet, dass die CSU nicht 45 von 113 Sitzen aus Bayern erreicht hätte, sondern 62 von 92 Sitzen. Die anderen 30 Sitze hätten sich auf SPD, GRÜNE, FDP, AfD und Linke verteilt. Es liegt auf der Hand, dass dies keine Repräsentation des Wählerwillens darstellen würde: Die CSU hatte in Bayern 31,7 Prozent der Zweit- und 36,9 Prozent der Erststimmen.
Was bedeutet das neue Wahlrecht für uns Grüne?
Alle Fraktionen müssen bei einer Verkleinerung des Bundestages auf 630 Sitzen gleichermaßen Abstriche machen. Das gilt auch für uns Grüne.
Was ist mit Einzelbewerber*innen?
Das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit Wert darauf gelegt, dass auch Einzelbewerber*innen ohne Parteiunterstützung im Rücken zulässig sein müssen. Dem tragen wir Rechnung: Einzelbewerbungen sind auch künftig möglich. Sollte sich ein*e Einzelbewerber*in bei den Erststimmen durchsetzen, so würde dieses Mandat zugeteilt. In diesem Fall würden entsprechend nur noch 629 Mandate nach Zweitstimmenanteil verteilt.