Der Bundestag hat das von mir mitverhandelte Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung verabschiedet.
Das Wichtigste im Überblick
Das Gesetz sieht eine Änderung der Verzinsung von Steuernachzahlungen und –erstattungen nach §233a AO vor. Der Zinssatz wird rückwirkend ab 2019 von jährlich 6% auf 1,5% gesenkt. Die Höhe des Zinssatzes wird außerdem mindestens alle zwei Jahre evaluiert, das erste Mal spätestens zum 1.1.2024.
Mit dem Gesetz wird einem Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes Folge geleistet. In seinem Urteil vom Juli 2021 hat das Gericht festgestellt, dass der Zinssatz von 6% jährlich angesichts der Niedrigzinsphase seit dem Jahr 2014 „evident realitätsfern“ und damit verfassungswidrig ist. Das bisherige Recht wurde aber für bis einschließlich 2018 weiterhin anwendbar erklärt, sodass der Gesetzgeber lediglich für die Jahre ab 2019 „nachbessern“ und eine verfassungskonforme gesetzliche Neuregelung schaffen musste.
Meine Bewertung des Gesetzes
Mit dem Gesetz hat die Ampelkoalition nun endlich das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes umgesetzt. Drei Punkte zeigen für mich, warum wir hier ein gutes Gesetz beschlossen haben.
Höhe des Zinssatzes
Ich halte die Zinshöhe von 1,8% jährlich für sachgerecht. Die Zinsberechnung ist gut nachvollziehbar, was für Akzeptanz bei den Steuerzahler*innen sorgt. Von der CDU/CSU-Fraktion hört man jetzt, dass die Berechnungsmethodik nicht rechtssicher sei. Diese Befürchtung teile ich nicht. Sicherlich wird es Klagen geben – was vollkommen normal ist – deren Erfolgswahrscheinlichkeit ist aber gering. Das Bundesverfassungsgericht räumt dem Gesetzgeber nämlich einen großen Spielraum in der Umsetzung seines Urteils ein.
Regelmäßige Evaluierung
Die Regierungsfraktionen haben sich darauf geeinigt, die Evaluierung der Zinshöhe mindestens alle zwei statt – wie noch im Regierungsentwurf vorgesehen – alle drei Jahre durchzuführen. Hier haben wir eine sehr gute Lösung gefunden, die einerseits sicherstellt, dass der Zinssatz bei Änderungen des Zinsumfelds zeitnah angepasst wird. Gerade im Anbetracht der sich anbahnenden Zinswende ist das wichtig. Andererseits werden übermäßig viele Anpassungen und die damit verbundene Bürokratie in den Finanzbehörden vermieden.
Begrenzung auf Zinsen nach §233a
Die Aufforderung des Bundesverfassungsgerichtes bezieht sich explizit auf die Zinsen nach §233a (Steuernachzahlungen und –erstattungen). Der Zinssatz, der in §238 festgesetzt ist, bezieht sich aber auch noch auf andere Zinstatbestände, nämlich die der §§234-237 (Stundungs-, Hinterziehungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen. Die Opposition fordert, dass auch diese mit dem vorliegenden Gesetz hätten angepasst werden müssen. Andere Zinstatbestände haben aber andere Sachverhalte. Das haben auch einige Sachverständige in der öffentlichen Anhörung bestätigt. Es wäre falsch, jetzt unter Zeitdruck – das Bundesverfassungsgericht hat die Umsetzung seines Urteils bis Juli 2022 gefordert – alle Zinstatbestände gleichzeitig anzupassen. Die Anpassung der anderen Zinstatbestände sollte stattdessen mit ausreichender Gründlichkeit und Zeit evaluiert werden.
Debatte im Plenum
In meiner Rede bei der 1. Lesung im Plenum habe ich deutlich gemacht, dass wir den Gesetzentwurf begrüßen.
Bei der abschließenden 2./3. Lesung hat mich mein Kollege Stefan Schmidt vertreten, da ich aufgrund einer Corona-Infektion ausgefallen bin. Seine Rede findet ihr hier.
Die Gesetzesänderungen im Detail
Für diejenigen unter euch, die etwas tiefer in die Materie eintauchen wollen, hier die Gesetzesänderungen im Detail:
- 233a Abs. 8: Im Falle von freiwilligen Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung werden keine Nachzahlungszinsen erhoben, soweit die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und behalten hat.
- § 238 Absatz 1a: Die Zinshöhe für Zinsen nach §233a wird auf 0,15% pro Monat (1,8% p.a.) festgesetzt.
- §238 Abs. 1b: Für einen Zinslauf mit unterschiedlich maßgeblichen Zinssätzen sieht der Gesetzentwurf eine Regelung zur Aufteilung in Teilverzinsungszeiträume vor.
- §238 Abs. 1c: Die Angemessenheit des Zinssatzes ist mindestens alle zwei Jahre unter Berücksichtigung des Basiszinssatzes (§247 BGB) zu evaluieren. Die erste Evaluierung findet spätestens zum 1.1.2024 statt.
- § 239 Absatz 1: Die Festsetzungsfrist (im Steuerrecht = Verjährungsfrist) für Zinsen wird von einem auf zwei Jahre verlängert. Nach Ablauf der Festsetzungsfrist dürfen für ein abgelaufenes Kalenderjahr keine Steuererklärungen mehr abgegeben, keine Steuerbescheide mehr erlassen oder in irgendeiner Weise geändert werden.
- § 239 Absatz 5: Dient der Klarstellung, dass die Zinsfestsetzung nach § 233a AO Grundlagenbescheid für die Zinsfestsetzungen ist, soweit die Zinsen nach § 233a AO anzurechnen sind.
- § 15 Abs. 14 (Einführungsgesetz zur AO): Bei der rückwirkenden Regelung wird dem Vertrauensschutz durch Anwendung des § 176 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO Rechnung getragen. Der regelt, dass bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids ein BVerfG-Urteil nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden darf. Steuerpflichtige, die also nach 2019 noch eine Erstattung mit 6% verzinst bekommen haben, müssen nichts zurückzahlen; auch, wenn der Steuerbescheid nur vorläufig ausgestellt wurde.