Über 26 Millionen Euro
Frauenfußball ist der UEFA weniger wert als Männerfußball. Das wird auch gerade während der Fußball-Europameisterschaft wieder sehr deutlich. Während den Männern bei der EM dieses Jahr wieder – wie schon 2021 – bis zu 28.250.000 € Preisgeld winkt, konnten die Frauen 2022 maximal etwas über 2.085.000 € Preisgelder einfahren. ¹
Nicht nur für den Verband, sondern auch für die Spieler*innen selbst fallen die Prämien sehr unterschiedlich aus. Für den EM-Titel winkt jedem Spieler eine Prämie von 400.000 € – jeder Spielerin in der EM 2022 dagegen 60.000 €. ²
Frauen trainieren genauso hart, zeigen genauso viel Leidenschaft und Engagement und repräsentieren unser Land mit genauso viel Stolz und Hingabe auf dem Rasen. Sie verdienen Anerkennung und Gleichberechtigung, nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch auf dem Gehaltszettel.
Männersache – Männergehalt
Die Ungleichheit in der Bezahlung von Männern und Frauen, bekannt als Gender Pay Gap, ist ein globales Problem, das tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Gesellschaft hat. Im Fußball wird diese Ungerechtigkeit besonders deutlich. Während männliche Fußballer astronomische Summen verdienen, bleiben die Gehälter der Fußballerinnen weit dahinter. Laut einer Auswertung von autodoc.de im Jahr 2022 haben die Frauen der Nationalmannschaft über 10 Millionen Euro weniger Jahresgehalt als die Männer erhalten. Das Durchschnittsjahresgehalt der Frauen lag laut der Auswertung bei unter 44.000 €. ³
Frauensache – gleiches Gehalt
Die aktuelle Fußball-EM in Deutschland bietet eine hervorragende Gelegenheit, diese Ungerechtigkeit ins Rampenlicht zu rücken. Die Spiele der Frauenmannschaft sind dort übrigens schon lange. Das Finale der Frauen-EM am 31. Juli 2022 haben sich 17,897 Millionen Zuschauer*innen in der ARD angeschaut, das Finale der Männer-WM 2022 gerade einmal 13,86 Millionen. Auch das Spiel Deutschland gegen Costa Rica im Rahmen der letzten Fußball-WM haben sich mit 17,43 Millionen Zuschauer*innen weniger Menschen angeschaut. Fußball ist also eindeutig auch Frauensache!
Auch die Quoten unterstützen also die Forderungen nach einer Anpassung von Prämien und Gehalt. Mit Erfolg hat das übrigens die Nationalmannschaft von Dänemark gemacht. In den Verhandlungen über einen neuen Vierjahresvertrag haben sie klargemacht, dass sie so lange auf eine Gehaltserhöhung verzichten wollen, bis die Frauenmannschaft die gleichen Konditionen vorgelegt bekommen. Der Dänische Fußballverband (DBU) will die beiden Nationalteams in Zukunft gleich bezahlen.
Unbezahlt, doch unbezahlbar
Der unbereinigte Gender Pay Gap lag im Jahr 2023 bei 18 %. ⁴ Das bedeutet, dass Frauen 18 % weniger pro Stunde für ihre Arbeit erhalten haben als Männer. Doch wie kommt das zustande? Einerseits arbeiten Frauen häufiger als Männer in Branchen und Berufen, in denen schlechter bezahlt wird, auch arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit. Ein weiterer Aspekt ist die unbezahlte Care-Arbeit. Care-Arbeit wird definiert als Sorgearbeit, wie Kinderbetreuung, häusliche Pflege oder familiäre Unterstützung - also Arbeit, die für unsere Gesellschaft absolut essenziell ist. ⁵ Laut dem Statistischen Bundesamt leisteten Frauen im Jahr 2022 29,47 Stunden Care Arbeit in der Woche, während Männer auf 20,43 Stunden Care Arbeit kommen. ⁶ Dies ergibt einen Gender Care Cap von 43,8 %. In den vergangenen zehn Jahren lässt sich jedoch eine positive Entwicklung feststellen: Der Gender Care Gap hat sich verkleinert.
Ein Instrument der Geschlechterdiskriminierung
Ein weiteres Beispiel für die strukturelle Diskriminierung von Frauen ist das Ehegattensplitting. Eingeführt in den 1950er-Jahren, hat es historisch dazu beigetragen, Frauen von der Erwerbsarbeit abzuhalten. Dieses Steuersystem hat dazu geführt, dass Frauen weniger arbeiten und somit weniger verdienen. Die Folge ist eine höhere Altersarmut bei Frauen.
Das Ehegattensplitting ist eine besondere Regelung für die Berechnung der Steuer, die jede Person auf ihr Einkommen zahlt. Hier muss nicht jede*r der Ehepartner*innen das eigene Einkommen einzeln versteuern, sondern das Einkommen der beiden Ehepartner*innen wird zusammengezählt und halbiert. Mit dieser Summe wird dann die Einkommenssteuer errechnet und der Betrag im Anschluss verdoppelt. Damit profitieren vorwiegend Ehepaare, bei denen eine Person deutlich mehr verdient als die andere.
In der Denkschrift des Finanzministeriums vor der Einführung des Ehegattensplittings wurde konstatiert, dass die „marktwirtschaftliche Erwerbstätigkeit der Ehefrau“ mittelbar zu einer „Auflösung der Ehe und Familie führe“. Die Ehefrau solle „ins Haus zurück“ geführt werden. Die Erwerbstätigkeit von Frauen würde also Ehen und Familien zerstören. Das Ehegattensplitting entstand also vor dem Hintergrund, Frauen von der Arbeit abzuhalten.
Obwohl das Ehegattensplitting ursprünglich im Kontext der Familienförderung eingeführt wurde, macht die Existenz von Kindern in der Ehe keinen Unterschied hinsichtlich des Ehegattensplittings. Auch wird mittlerweile jedes dritte Kind außerhalb der Ehe geboren und jede fünfte Familie ist alleinerziehend. ⁷
Eine Reform des Ehegattensplittings ist längst überfällig. Eine Alternative wäre etwa eine Individualbesteuerung mit übertragbarem Freibetrag. Dies würde den heutigen Lebenswirklichkeiten besser entsprechen und Menschen deutlich mehr Freiheiten in Bezug auf ihr gewünschtes Lebensmodell geben.
Altersarmut: eine Folge konservativer Politik
Die Altersarmut bei Frauen ist ein ernstes Problem, das durch eine Reihe von Faktoren verursacht wird. Dazu gehören lebenslanger geringer Lohn, prekäre Beschäftigung und Teilzeitarbeit sowie häufig unterbrochene Erwerbstätigkeit aufgrund von Familien- und Pflegearbeit. Einen großen Beitrag leistet auch hier das Ehegattensplitting. Diese Faktoren führen dazu, dass Frauen im Alter weniger finanzielle Ressourcen zur Verfügung haben und daher einem höheren Risiko der Armut ausgesetzt sind. Daten der Bundesagentur für Arbeit zufolge ist jede dritte Frau, die in Vollzeit arbeitet, zukünftig von Altersarmut bedroht. ⁸ Und das, obwohl Frauen in Deutschland gerne mehr arbeiten würden: 17 % der arbeitenden Frauen würden ihre Wochenstunden gerne aufstocken, sehen dazu aber aufgrund der aufgeführten systematischen Benachteiligungen keine Möglichkeit, Arbeit und Familie nach ihren Wünschen zu vereinbaren. Die Altersarmut bei Frauen ist ein von Männern geschaffenes Problem, welches Frauen betrifft. Wäre Care-Arbeit fair aufgeteilt, der Gender Pay Gap geschlossen und die strukturelle Verankerung von altmodischen Geschlechterrollen aus den Köpfen der Gesellschaft verbannt, gäbe es auch bei den Alterseinkünften keine Schlechterstellung der Frauen.
Und jetzt?
Die Bekämpfung der Geschlechterungleichheit erfordert entschlossenes Handeln. In der Koalition haben wir uns etwa auf die Weiterentwicklung des Entgelttransparenzgesetzes verständigt. Außerdem haben wir den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende erhöht. Auch die Erhöhung des Mindestlohns kommt im besonderen Maße Frauen zugute, denn sie stellen deutlich mehr als die Hälfte der Mindestlohnempfänger*innen.
Aktuell aktiv in Planung ist die Abschaffung der Steuerklassen 3 und 5. Das bedeutet: Die*derjenige mit dem höheren Einkommen wählt bisher den günstigeren Steuertarif (Klasse 3), die*derjenige mit dem niedrigeren Einkommen den ungünstigeren Steuertarif (Klasse 5). Nachdem Frauen im Schnitt weniger verdienen, sind sie meistens die, die in Steuerklasse 5 landen. Das führt dazu, dass sie im Verhältnis zum Partner in Steuerklasse 3 zunächst deutlich weniger Netto vom Brutto bekommt – ein weiterer Anreiz eher weniger, statt mehr zu arbeiten. Nach den Plänen der Ampel sollen Paare künftig nach einer Übergangszeit in die Steuerklasse 4 mit Faktorverfahren eingruppiert werden. Das bedeutet: Das Finanzamt betrachtet die Einkommensverteilung und teilt die zu entrichtende Steuer gerecht zwischen den beiden Ehepartner*innen auf.
Es ist jedoch auch wichtig, über diese Maßnahmen hinaus zu denken. Wir müssen die strukturellen Ursachen der Geschlechterungleichheit angehen. Dazu gehört die Verbesserung der Betreuungsangebote in Kitas und Schulen, die Ausweitung der Elternzeit und die flächendeckende Kinderbetreuung oder eben eine Reform des Ehegattensplittings. Auf letzteres konnten wir uns in dieser Legislatur leider nicht mit der FDP einigen. Diese Maßnahmen könnten dazu beitragen, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen und den Gender Pay Gap zu verringern.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bekämpfung der Geschlechterungleichheit eine zentrale Aufgabe für eine zukunftsgewandte Politik ist. Es ist an der Zeit, dass wir diese Herausforderung annehmen und eine gerechtere Gesellschaft schaffen.
¹ www.wiwo.de/politik/deutschland/em-2024-der-millionen-kick-die-fussball-em-stellt-alles-in-den-schatten-/29802538.html
² www.sportschau.de/fussball/frauen-em/fussball-em-frauen-praemien-uefa-100.html
³ www.fr.de/sport/fussball/frauen-praemie-gehaelter-maenner-frauen-diskrepanz-wm-2023-dfb-92428388.html
⁴ www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/03/PD24_083_621.html
⁵ www.bpb.de/themen/familie/care-arbeit/
⁶ www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/statistisches-bundesamt-veroeffentlicht-neue-zahlen-zum-gender-care-gap-236794
⁷ www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/familienreport-2017-119526
⁸ www.zdf.de/nachrichten/panorama/arm-trotz-rente-altersarmut-frauen-100.html