121 Milliarden Euro
Im vergangenen Jahr stieg die Menge der zu versteuernden Erbschaften und Schenkungen um fast 20 Prozent auf 121 Milliarden Euro – ein neuer Höchstwert. Die Steuereinnahmen stiegen dabei gerade einmal um 3,9 Prozent. Insgesamt wurden 11,8 Milliarden Euro Erbschafts- und Schenkungssteuer bezahlt.
Hinweis: Die genannten Zahlen beziehen sich auf die Erbschaften und Schenkungen, die außerhalb der Freibeträge liegen. Die meisten Erbschaften und Schenkungen liegen innerhalb dieser Grenzen und werden nicht besteuert.
Widerspruch zum Leistungsprinzip
Das vermögendste 1 Prozent in Deutschland besitzt mehr Vermögen als 90 Prozent der Bevölkerung zusammen. Dabei wird der Großteil des privaten Vermögens nicht durch eigene Anstrengung, sondern durch Erbschaften oder Schenkungen generiert. Vermögen wird oft durch Geburt oder Zufall weitergegeben, anstatt auf individueller Leistung zu basieren. In fast keinem anderen EU-Land ist die Vermögenskonzentration so stark ausgeprägt. Besonders kritisch ist, dass große Erbschaften und Schenkungen oft steuerlich begünstigt werden, sodass Erb*innen weniger Steuern zahlen als Menschen, die ihr Geld durch harte Arbeit verdienen. Diese Ungleichheit zementiert die Vermögenskonzentration und verstärkt die soziale Ungleichheit, da sie den gesellschaftlichen Aufstieg durch eigene Leistung erschwert und die Vorteile derjenigen, die erben, weiter ausbaut.
Mit über 26 Millionen Euro Erbe zu arm für Steuern
Erbschaften von mehr als 26 Millionen Euro sind in Deutschland teilweise steuerfrei, wenn Erb*innen durch eine sogenannte „Verschonungsbedarfsprüfung“ nachweisen, dass sie nicht genügend verfügbares Vermögen besitzen, um die Erbschaftssteuer zu zahlen. Diese Prüfung erfolgt allerdings vor dem Erbe, nicht danach! Die Regelung betrifft häufig Großvermögen und Unternehmensübertragungen. So wurden 2023 beispielsweise 2 Milliarden Euro an Steuern aufgrund dieser Regelung erlassen, was zu einem effektiven Steuersatz von nur 0,1 % für Erbschaften über 26 Millionen Euro führte.
Besonders stark profitieren Erb*innen von Großunternehmen: Während ein kleines Familienunternehmen oft stärker besteuert wird, bleiben große Betriebsvermögen durch die Verschonungsregelungen nahezu unbesteuert. Im Jahr 2023 stieg der Wert des übertragenen Betriebsvermögens über 26 Millionen Euro um 257 Prozent auf 17,1 Milliarden Euro. Dies führt dazu, dass das Kind, das den kleinen Handwerksbetrieb der Eltern übernimmt, in der Regel mehr Steuern zahlt als das Kind, das einen ganzen Konzern erbt. Das ist schlichtweg ungerecht.
Mehr ist weniger – nie unter 300 Wohnungen vererben
In Deutschland muss, wer zwei oder drei Immobilien erbt, mit höheren Erbschaftssteuern rechnen als Erb*innen, die Anteile an großen Wohnungsunternehmen mit über 300 Einheiten erben. Während kleinere Erben Erbschaftssteuer zahlen müssen, sobald sie die Freibeträge überschreiten, bleiben Wohnungsbestände über 300 Wohneinheiten steuerfrei. Auch diese Regelung ist kaum sinnvoll zu vermitteln.
Mehr ist mehr – starke Schultern und faire Steuern
Unser Lösungsvorschlag ist einfach: Wir setzen uns für eine Reform der sogenannten Verschonungsregelungen ein. Statt einer vollständigen Steuerbefreiung für Betriebsvermögen sollen umfassende, mehrjährige Stundungsregelungen eingeführt werden. Dies schafft Steuergerechtigkeit, sichert Arbeitsplätze und fördert Investitionen. Auch die Ausnahme für große Immobilienbestände sollte abgeschafft werden.
Berechtigte Sorgen – klare Antworten
Wir wollen Betriebe erhalten, und das Haus von Oma und Opa soll in der Familie bleiben können. Kleinere Erbschaften, und das sind die meisten, sind heute – und das ist gut so – über Freibeträge von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit. Der Freibetrag bei der Erbschaftssteuer beträgt 500.000 Euro für Ehepartner*innen und eingetragene Lebenspartner*innen sowie 400.000 Euro pro Kind. Eigengenutzte Wohnungen bleiben zusätzlich steuerfrei, wenn sie mindestens zehn Jahre nach der Erbschaft von einer*m Ehepartner*in, Lebenspartner*in oder Kindern bewohnt werden – vorausgesetzt, die Wohnfläche liegt unter 200 m². Auch für Betriebe gelten Freibeträge und Schonungsregelungen. Zudem schlagen wir keine sofortige und vollständige Zahlung der Erbschaftssteuer zum Stichtag des Erbes vor, sondern Stundungsregelungen über mehrere Jahre. Das schützt den Erhalt von Betrieben und Arbeitsplätzen.
Grüne Zukunftsideen
Für unseren Zukunftskongress, der Ende September stattfand, haben meine Kolleg*innen Katharina Beck und Andreas Audretsch ein Papier veröffentlicht, das zusammenfasst, wie wir Gerechtigkeitslücken im Steuersystem schließen wollen. Ein Teil davon betrifft die Erbschaftssteuer, die ich in diesem Newsletter behandelt habe. Darüber hinaus geht es um wichtige Investitionen, die Immobilienbesteuerung und weitere Schlupflöcher im Steuersystem. Ein Blick in das Papier lohnt sich!