Mit dem Ampel-Vorschlag für ein neues Wahlrecht schaffen wir es, den Bundestag auf seine gesetzlich vorgesehene Größe von 598 Mitgliedern zu verkleinern und gleichzeitig die Repräsentanz der Fraktionen gemäß dem Wähler*innenwillen sicherzustellen.
Der Bundestag ist zu groß
Die vorgesehene Größe des Bundestags von 598 Abgeordneten wird seit Jahrzehnten – zuletzt mit 736 Abgeordneten massiv – wegen der steigenden Zahl von Überhangmandaten und den verbundenen Ausgleichsmandaten überschritten. Schon 2008 hat das Bundesverfassungsgericht das Parlament deswegen aufgefordert, das Wahlrecht zu reformieren.
Sitzverteilung im Bundestag nach der Bundestagswahl 2021Das Problem der Überhangmandate
Die Ursache des Anwachsens ist die immer größer werdende Zahl von Überhangmandaten. Diese entstehen, wenn eine Partei mehr Direktkandidat*innen in den Bundestag entsenden kann (also Kandidat*innen, die durch Erststimmen ihren Wahlkreis gewonnen haben), als ihr Sitze gemäß der Anzahl der Zweitstimmen in einem Bundesland zustehen. Seit 2013 werden diese Überhangmandate durch zusätzliche Sitze, sog. Ausgleichsmandate, ausgeglichen, damit die Repräsentanz des Wähler*innenwillens gewährleistet bleibt.
Unser Lösungsvorschlag
Die Sitzverteilung richtet sich künftig ausschließlich – wie es bisher im Gesetz eigentlich auch vorgesehen war – nach dem Stimmenanteil der Parteien. Der besseren Klarheit wird daher die bisherige „Zweitstimme“ in „Hauptstimme“ umbenannt.
Nach der Hauptstimme wird die Sitzverteilung im Bundestag mit den 598 Abgeordneten verteilt. Anschließend werden innerhalb der Parteien die Sitze auf die einzelnen Landeslisten verteilt. Auch hier nach dem Verhältnis der Stimmen für die jeweilige Partei im jeweiligen Bundesland.
Wer erhält nun diese Sitze für die jeweilige Partei im jeweiligen Bundesland? Hier kommt die entscheidende Änderung: Nun wird das Wahlergebnis in den einzelnen Wahlkreisen mit der Wahlkreisstimme (bisher: Erststimme) betrachtet.
Die Kandidat*innen, die in den Wahlkreisen eine relative Mehrheit errungen haben, erhalten weiterhin bevorzugt Sitze zugeteilt, jedoch nicht mehr garantiert. Sollten sich in einem Bundesland für eine Partei zu wenig Sitze ergeben haben, gehen die mit den wenigsten Prozenten leer aus.
So werden Überhangmandate vermieden. Das Verfahren mag für die betreffenden bisherigen Bundestagsabgeordneten bitter sein. Aber der Bundestag kann logischerweise nur verkleinert werden, wenn es weniger Abgeordnete gibt. Und da müssen alle Parteien gleichmäßig Abstriche machen.
Sitzverteilung im Bundestag mit den Ergebnissen der Bundestagswahl 2021 unter Berücksichtigung des Ampel-Vorschlags für ein neues WahlrechtUnd genauso ist es: Legen wir das Wahlergebnis 2021 zugrunde, so würde der Sitzanteil der einzelnen Fraktionen im Bundestag auch mit dem neuen Wahlrecht erhalten bleiben. Einzige Ausnahme: Der Anteil der CSU sinkt um 0,4 %. Das ist aber leicht zu erklären.
Causa CSU
Im alten Wahlrecht wurden 3 Überhangmandate nicht für die anderen Fraktionen ausgeglichen. Das ist die Grenze, die das Bundesverfassungsgericht zulässt. 2021 gingen diese 3 nicht ausgeglichenen Überhangmandate zufällig an die CSU. Dies ist aber nicht zwangsläufig der Fall. Dass die CSU beim letzten Wahlergebnis mit dem neuen Wahlrecht mehr verliert, ist also tatsächlich reiner Zufall und keine Benachteiligung der CSU. Das von der CSU gerne ins Gespräch gebrachte sogenannte Grabenwahlrecht würde übrigens zu massiven Verzerrungen (natürlich zugunsten der CSU) führen.
Bayern wird nicht geschwächt
Bayerns Ministerpräsident Söder hat außerdem behauptet, dass es Ziel sei, die Union und ganz besonders Bayern zu schwächen. Die Wahrheit: Sitzanteil der Union: 26,8 % derzeit. Nach neuem Wahlrecht wären es 26,4 % gewesen.
Betrachten wir nur Bayern: Der Sitzanteil MdBs aus Bayern beträgt derzeit 15,9 %. Nach neuem Wahlrecht wären es 15,4 % gewesen. Der minimale Rückgang insgesamt wie in Bayern liegt praktisch allein an den drei schon erwähnten CSU-Überhangmandaten. Der Vorwurf ist also völlig unbegründet.
Fazit
Der Vorschlag der Ampel für ein neues Wahlrecht garantiert eins zu eins die Abbildung des Wähler*innenwillens und bringt den Bundestag endlich wieder auf die vorgegebene Größe. Als Finanzpolitiker ist mir auch ein weiterer Punkt wichtig: Das vorgeschlagene Wahlrecht wird jährlich Millionen sparen.
Natürlich werden wir im Zuge des parlamentarischen Verfahrens mit der Opposition über Möglichkeiten eines Konsenses sprechen. Eine vernünftige Wahlrechtsreform ist bisher ja leider vor allem immer an der CSU gescheitert.